2006
«Umsicht», so heisst der Titu vom Ärnscht A. Müller sinere diesjährige Lithografien-Usstellig do, i sinere Galerie z Loupe.
UMSICHT,
das het ou mit VORSICHT z tüe,
und mit ÜBERSICHT
und mit WIITSICHT
und mit IISICHT
und wemer wei,
de het UMSICHT ou mit RÜCKSICHT z tüe
und mit NACHSICHT
und vilecht sogar mit ZUEVERSICHT.
Der Künschtler het deren Usstellig, so win ers aus Intellektuelle, aus beläsene und läsende Zytgenoss immer wieder macht, e literarische Satz voraagschtöut. I darf zitiere:
«Fantasie haben heisst nicht, sich etwas
ausdenken, es heisst, sich aus den
Dingen etwas machen.»
Scho dä Satz vom Thomas Mann, dä seit sehr vüu über die diesjährigi Usstellig. Und är seit aber ou sehr vüu über d Arbeitswis vom Ärnscht A. Müller.
Fantasie ha, heisst nid, dasme sech immer öppis us de Finger cha suuge. Fantasie ha heisst äbe genau nid, e Fantasy-Gschicht müessen erfinge oder e Brutalogschicht oder e Mördergschicht oder e Seifenopere, wo üs weich macht im Gring obe, wöu aus manieriert isch oder wiit här ghout oder berächnet, aber nie wohr.
D Fantasie ligt nid irgendwo im entfärntischten Egge vor Vorstelligschraft, nei, Fantasie ha, das heisst nid sueche, das heisst finge, heisst häreluege, härelose, umeluege, umsichtig si, merken und gspüre, was umen isch, was um eim umen isch, das wo umen isch näh und de öppis Gschids drus mache. Voilà.
Genau eso schaffet der Aschi Müller. Är luegt nid wägg. Är cha gar nid wäggluege, nei, är mues häreluegen und wener lang gnueg gluegt het und nim öppis ufgfauen isch, de nimmter das, wonim ufgfauen isch, und macht öppis drus.
Är luegt ume,
är gseht, är fingt,
är nimmt öppis uf
und de schtöuters i Beziehig zu öppisem.
Das isch äben am Aschi Müller sini UMSICHT, daser Beziehige schaffet, wöu är weiss, dass d Sachen imne Zämehang inne stöh, dass d Wäut, dass genau die Wäut, nid eifach zuefäuig so isch, wie si isch, dass ds Feiss-Si vo den einte und der Hunger vo den angere öppismitenang z tüe hei.
Der Aschi Müller schaffet Beziehige zwüsche sine Motiv. Är macht das fasch genau eso, win er ou Beziehige zwüschen üs und mit üs schafft, win er üs dohie loht lo zäme si, loht lo trinken und luegen und ploudere, nid irgendwo, sondern do, bi sich, amne ganz konkreten Ort.
I sinere UMSICHT fingt der Künschtler zum Bischpüu en Alligator, es Roubtier, eine, wo das, was er verwütscht, grad zerfleischt. Und de stöut der Müller däm Büud es angers Büud entgäge, eis vo Lüt, wo Kampfflugzüg betröien oder warten oder pilotiere, auso Militärflüger, wo das, was si verwütsche, churzum zerfleische.
Es isch bi beidne Büuder die glichi Bewegig, aber me muess es gseh, me muess luege, me muess es fingen und öppis drus mache.
Mir luege nid gärn häre, aber mir hei aues im Griff. Mir hei die chlyne Bäbeli im Griff und die chlyne Labormüsli, uf dene mir chöi Mönschen-Ersatzteili züchte, und wemers jetz no nid ganz chöi, de ömu ganz sicher gli. Uf dene Müsli chöimer Mönschen-Ohre züchte. Mönschen-Ohre, das isch jetz grad numen es Bischpüu, aber mi dünkts wäge däm es bsungers schöns Bischpüu, wöu doch ir biblische Gschicht der Heiland, denn wo eine vo sine Jünger mit em Schwärt amne römische Soudat es Ohr het abgschlage, das Ohr ufgläse und schiints am frömde Soudat wieder aagmacht heig.
Vermuetlech het der Aschi, woner das Büud usgwäuht het, nid unbedingt grad a die biblischi Gschicht dänkt, aber är loht mit sinere Kunscht zue, dass ig aus Betrachter so Züg, aber ou ganz angers Züg, cha dänke.
Hüt bruchemer der Heiland nümme, hani dänkt, hüt suechemer ds Heil i de Müs.
Oder nähmer mou d Gier, ds wiit verbreitete Gierig-Si,
d Gränzelosigkeit vom Frässe,
d Gränzelosigkeit vo däm Hunger nach immer meh und no meh,
däm Hunger, wo nie ufhört, wo nid emou denn ufhört, weme scho lang satt wär.
Und de gshemer der eint dört ufemne Pedalo. Das sig der Wäutmeischter im Frässe, hanimer lo erkläre, der Wäutmeischter im gierig si, e Jüngling, wo söfu cha frässe, wie süsch vilecht kene.
Und d Fotografen im Büud näbedranne, das si d Chöch vo üsere Gier, d Chöch vo üsere Gier nach Sensatione, Gier nach News, nach 20-Minute Churzfueter, üsi Gier nach 20-Minuten-Instantnachrichtefueter, nach däm Fueter, womer die ganzi Zyt frässe, wöus überau gratis umeliggt.
Mir si satt, übersatt vo dene Büuder, dene Büuder vom Irak, vo Guantánamo, vom Libanon, vo Afghanischtan, vom Gaza. Mir si satt vo au dene Büuder, Büuder vo Starletts, Büuder vo nüt, über-übersatt simer, aber mir müesse wiiterfrässe, si d Wäutmeischter im Nachrichtefrässe, aber nid im Verdoue.
I säges jo, der Aschi Müller loht sech nid lo verfüehre, loht sech nid lo blände, vo dene abertusige vo Büuder, wo üs jede Tag verfueteret wärde, für dass mir vor luter Büuder d Realität nümme gseh, für dass mir blind und feiss wärde und 80 Färnsehprogramm aaluege, wonis au zäme nüt verzöue.
Der Müller nid, är nid, är luegt sech ume, är luegt dür die Büuder düre, är gseht Strukture, wo sech gliche: Der Rotwy vo Ouschtralie, der Naturwaud, der Waud vo den Isebahn-Schine. D Inflation vo de Samichlöis, die chinesische Stifu, der Iigang zur U-Bahn, jä he, was het das mitenang z tüe? Meh aus mer meine, mini lieben Aawäsende. Gseh tuet mes aber erscht denn, weme der Blick nöi schärft, wemen angers afoht luege. Genau das lehre mer bim Aschi Müller.
Pedro Lenz