2007
Liebi Aawäsendi, liebi Fründinnen und Fründe vom Ärnscht A. Müller und sinere Kunscht, dir heits hoffetlech gseh, uf der Iiladig zur diesjährige Vernissage mit em Titu «Versuche», het der Aschi Müller e dänkwürdige Satz vom kanadische Moler Alex Colville zitiert:
«Als guter Realist muss ich alles erfinden.»
Mit däm einzigen eifache Satz «Als guter Realist muss ich alles erfinden» isch scho fasch meh gseit, aus ig do hütt überhoupt cha säge.
«Als guter Realist muss ich alles erfinden», das isch e Satz, wo d Notwändigkeit vo der Kunscht im Realismus und vom Realismus i der Kunscht scho fasch bewiist: Es längt äbe nid, dass d Kunscht d Realität abbüudet. Es längt äbe nid, dass d Kunscht nöimen öppis fingt und das nächär zeigt. Nei, Realismus im Füum, Realismus ir Literatur, Realismus ir Fotografie, Realismus ir Molerei, das isch immer ou en Erfindig. Sobaud, dass es ke Erfindig meh isch, isches nümm Kunscht, isches höchschtens no Propaganda.
Realistischi Kunscht het immer ou mit Erfindig z tüe. Zersch muesch öppis finge, und nächär muesch öppis erfinge. Oder, excüse, nei, äbe nid eso, äbe genau umgekehrt:
Zersch muesch öppis erfingen, und nächär muesch öppis finge.
Und das isch genau d Art, wie der Aschi Müller schaffet, genau wie dä realistisch Künschtler won er isch, genau wie ne realistische Künschtler nach der Definition vom Alex Coleville. Der Aschi Müller erfingt aues, aber är erfingts eso, dass es reau wird, dass es d Realität spieglet oder öppis vor Realität, won är üs und sich säuber wott zeige.
Är erfingt und fingt, und das macht si Realismus ächt, politisch und starch.
Es isch äbe leider e wiit verbreiteten Irrtum z gloube, dass ds Erfinge i der Kunscht öppis z tüe heig mit Flucht vor Realität oder mit Fantasy oder Eskapismus.
Nei, ds Gägetöu isch wohr, erfinge tüe d Realischte, erfinge tüe d Künschtler vom Realismus, erfinge tüe die, wo sech mit der Realität befassen und wo der Realität öppis wei entgäge ha. Erfinge tüe die, wo sech mit ihrere Realität usenangsetze, ou denn, wenns vilecht weh macht, ou dört, wos nid glänzt. Erfinge tüe nid die, wo vor der Realität dervoseckle, irgend ine heili Wäut vo Aupeschlager oder Modekitsch-Serie oder Nationalischte-Dräck.
E Realismus, wo nüt meh erfingt, isch tod, isch genau so tod, wie ne Politik, wo nüt erfingt, wo nüt usebringt, wo nüt z säge het, wo nüt cha, ussert Hass schüren und angeri abemache. E Realismus, wo nüt meh erfingt, isch ke Realismus, sondern Kitsch und im schlimmschte Fau, zynische Kitsch.
Wäge däm dörfe mer froh und dankbar si, über die «Versuche» vom Aschi Müller.
I dene lithografische Büuderfouge, dene vier Büudergruppe, wo mer hütt do gseh, wo au zämen ungerem Obertitu «Versuche» usgschtöut si (und übrigens ou chöiflech chöi erworbe wärde, wöu Gäud ir Kunscht ou e Realität isch), auso, i dene lithografische Büuderfougen oder Büudergruppe wird einisch meh eine vom Aschi Müller sine immer wieder betonte Sätz sichtbar:
«Ir Kunscht muesch chönne luege!»
Aus Lehrer het eim der Aschi Müller das immer und immer wieder gseit: «Muesch häre luege. Lueg, luegs aa, lehr luege.» I däm Punkt trifft sech sini Arbeit aus Künschtler mit siren Arbeit aus Pädagog. Woni no si Schüeler bi gsi, hetermi glehrt luege, wöu er der Meinig isch gsi und immer no isch, dass es vom Luegen abhängt, ob eine chöng zeichnen oder nid.
Der Künschtler luegt auso zersch. Der Künschtler suecht, luegt, wäuht und gruppiert. Är gruppiert was zäme ghört, i syre Realität, i syre Wohrnähmig vor Realität und i syren Erfindig vor Realität.
Und mir aus Betrachterinnen und Betrachter vo dere Realität, mir chömen ou nid ums Luegen und ums Erfingen ume, wemer en Iiblick i die Realität wei ha, wemer öppis vo dere Realität wei verschtoh, wemer allefaus sogar dra dänke, ar Realität mit z schaffe, d Realität mit z gschtaute oder d Realität z verändere.
Wie fascht immer i de letschte Johr, schaffet der Ärnscht A. Müller für sini Lithografie mit drüne Farbe, und wie fascht immer gruppiert är Büuder, wo nach sim Empfinde, nach sim Realitätssinn zämeghöre.
Ig ha versuecht, dene verschidene Gruppe miner eigete, subjektiven Überschrifte z gäh. Es isch nur e Versuech, aber um das geits jo genau.
Die erschte drü Büuder, dene sägeni Gleisbüuder: E Stadtbach z Bärn, e Bahnhof z Legnica (uf Dütsch Liegnitz) in Pole, e Stross z Bystrzyca Klodzka (uf Dütsch Habelschwert) in Pole.
Au die drü Lithographie basieren uf Fotine, wo der Aschi mou säuber ufgnoh het.
Drü Büuder, wo zäme ghöre.
Drü Büuder, wo Realität erfinge.
Drü Büuder, wo Realität zeige.
Drü Büuder, wo fahre.
Oder luegemer die nöchschte drü Büuder aa:
E Kiosk z Griecheland, en Ornig vomne Syschtem, wo nume für dä aus Ornig erkennbar isch, wo dört i däm Kiosk schteit und die Ornig vermuetlech verantowortet.
E Bibliothek z Afrika. En Ornig, wo grad diräkt a de Büecher aagschriben isch. Das wo ufgrumet mues si, isch glichzytig Träger vor Ornig.
E Kunschtbuechverlag z China, und wie bim griechische Kiosk, isch der Mönsch umhüut vo Drucksache.
I säge dene drü Büuder: Literarischi Realitäte. Und de wiiter: En offeni Serie, wo der Zämehang vilecht nid eifach so ufen erscht Blick erkennbar isch. Es isch e Serie, wo der Titu chönnt träge: «Versuch über die Verwandlung der Dinge».
E Form vore Wärchzügchischte leitet über zur Form vor italiänische Koloniau-Architektur imne afrikanische Land. Und der Imperialismus, wo vo däm koloniale Bouschtiu usem Johr 1937 usgeit, dä Imperialismus leitet wiederum über zumne imperialistisch ufdrängte Schönheitsideau: Pariser Sex-Ästhetik z Singapur.
Oder nähmer die vierti Serie. I säge der Gruppe d «Evangelium-Serie», wöu mi aui Motiv fasch unweigerlech a ds Nöie Teschtamänt erinnere. Das sägeni aus öpper, wo nid sehr vüu ir Bibu list. Aber bitte sehr, ou das isch vo mire Syten e Versuech.
Dörte die öuf Mikrophon, auso die öuf Aposchtle, wo bim letschten Abendmauh no übrig blibe, nachdäm, dass der Judas gangen isch. Nächär dörte die Chrüzig, auso d Chrüz-Symbolik, dargschtöut im Chrüz vom einzige Bahnhof ir Schwiz, wo d Züg i aui vier Himusrichtige fahre, z Cherzers im Seeland. Und schliesslech no die Wählerschlange z Osttimor, wo aber genau so guet e Spisig chönnt si, die Speisung der Fünftausend, für die, womer bir biblischen Interpretation no möge fouge.
Dir chönntet jetz natürlech säge, i sig e komische Büudbetrachter, und mini Interpretatione sige nid sehr nochvouziehbar, si heige mit öichere Betrachtigswiis wenig bis gar nüt z tüe. Und wüsster, was ig öich uf das würd antworte? Machit eifach öichi eigeti Interpretation, dänket a ds Motto vo deren Usstellig:
«Als guter Realist muss ich alles erfinden.»
Sigmer auso Realischte, gueti Realischte, Realischte, wo aues erfinge.
Pedro Lenz